Gastbeitrag von Emanuel Staub, Bolzplazz
Die Schweizer Nationalmannschaft begrüsst zum Start der EM-Qualifikation zwei Neulinge an Bord: Dominik Schmid (GC) und Jérémy Frick (Servette) kommen überraschenderweise zum Handkuss. Was dürfen die Nati-Fans von den beiden Neo-Internationalen erwarten?
Nach der Weltmeisterschaft ist vor der EURO. Nationaltrainer Murat Yakin startet mit einem rundum erneuerten Team in die Qualifikationsphase. Der Verzicht auf arrivierte Kräfte wie Haris Seferovic, Steven Zuber und Kevin Mbabu ist ein Signal an die jungen Spieler. Mit Zeki Amdouni, Cédric Zesiger, Fabian Rieder, Andi Zeqiri und Jordan Lotomba wären fünf solcher aufstrebender Youngster im Kader gestanden. Am letzten Spieltag vor dem Zusammenzug zogen sich aber sowohl Zeqiri als auch Lotomba Blessuren zu, womit sie die beiden anstehenden Länderspiele gegen Belarus (25.3) und Israel (28.3) verpassen werden.
Für frisches Blut sollen aber nicht nur die jungen Wilden sorgen, sondern auch zwei Spieler, die in der Super League seit Jahren zum Inventar zählen und nun erstmals aufgeboten wurden. Die Rede ist von GC-Leader Dominik Schmid und Servette-Keeper Jérémy Frick. Während Schmid von Anfang an im Aufgebot stand, kam Frick nur dank einer glücklichen Fügung und den verletzungsbedingten Absagen von Gregor Kobel, Yvon Mvogo, Philipp Köhn und David von Ballmoos zu dieser Ehre. Dem aufmerksamen Super-League-Fan dürften beide Spieler bestens bekannt sein. Doch auf was genau dürfen sich Nati-Fans freuen – und was könnten Yakins Überlegungen hinter der Nomination dieser beiden Überraschungskandidaten sein?
Dominik Schmid – Yakins Laborhase hinten links
Die Schweiz hat auf den Aussenverteidigerpositionen ein Problem. Auf keiner anderen Position hat die Nati einen derart schmalen Talentpool wie rechts bzw. links hinten. Das ist mit ein Grund, warum Yakin nur zwei gelernte Aussenverteidiger an die WM mitnahm. Während die beiden Stammspieler auf diesen Posten – namentlich Ricardo Rodriguez und Silvan Widmer – fraglos über internationales Niveau verfügen, wird die Luft dahinter rasch dünn. Rechts macht der aufstrebende Lotomba bei OGC Nizza in der Ligue 1 von sich reden, ihm dürfte die Zukunft gehören – doch für diesen Zusammenzug fällt er aus. Bleiben noch Kevin Mbabu, dem Yakin offensichtlich nicht vertraut, und Michael Lang, der für diesen Zusammenzug reaktiviert wurde. Andere einst hoffnungsvolle Rechtsverteidiger wie Kevin Rüegg oder Silvan Hefti sind zuletzt ein wenig in der Versenkung verschwunden.
Hinten links ist das Bild noch weitaus düsterer: Abgesehen von Rodriguez gibt es keinen einzigen Schweizer Linksverteidiger, der in einer europäischen Topliga spielt. Kandidaten wie Ulisses Garcia oder Loris Benito haben ihre Mängel, während der talentierte Miro Muheim «nur» Zweitliga-Fussball spielt und daher in den Augen Yakins (noch) keine Alternative ist. Um der Linksverteidiger-Knappheit entgegenzuwirken, versucht Yakin nun eben etwas Neues – und gibt mit Dominik Schmid einem bis dato ignorierten Super-League-Spieler eine Chance.
Schmid – ausgebildet beim FC Basel und 2020 über den Umweg Challenge League beim Rekordmeister aus Zürich angekommen – verkörpert solides Schweizer Handwerk. Der gelernte Mittelfeldspieler wurde von GC-Trainer Contini aufgrund seines linken Fusses zum Linksverteidiger umgeschult und macht seine Sache seither tadellos.
Sein Profil ist sehr interessant: Schmid ist technisch stark und ball- und passsicher aufgrund seiner Vergangenheit im Mittelfeld. Diese Qualitäten erlauben es ihm, trotz seiner Positionierung auf der Aussenbahn aktiv zum Spielaufbau beizutragen.
Ein Blick auf seine statistischen Werte unterstreicht das: In den Bereichen «Angekommene Smart Passes» und «Vorletzte Pässe» gehört er zum Spitzenbereich der Liga (79th bzw. 89th Perzentile).
Auch defensiv ist Schmid ein sicherer Wert – und das ist für Yakin bekanntermassen besonders wichtig. Aufmerksam, clever, bissig – dazu überaus erfolgreich in seinen Defensivaktionen, wie die Statistik beweist. Besonders in den Bereichen «Erfolgreiche Kopfballduelle» und «Tacklings» bzw. «abgefangene Bälle» weist er Spitzenwerte auf.
Schmid mag zwar kein gelernter Linksverteidiger sein und im Vergleich zu einem modernen, explosiven Aussenläufer fehlt es ihm etwas an Dynamik und Tempo – doch mit dem Ball am Fuss und defensiv macht er seine athletischen Defizite wieder weg. Dass ihm Yakin eine Chance erteilt, ist angesichts seiner Konstanz in der Super League und dem Mangel an Alternativen nur logisch. Man darf nicht erstaunt sein, wenn Schmid diese Gelegenheit wahrnehmen und sich nachhaltig in die Nati spielen sollte.
Jérémy Frick – das Glück des Tüchtigen
Die Schweiz ist eine Goalie-Nation, das ist mittlerweile auf der ganzen Welt bekannt. Dass ein Land mit einem so kleinen Pool an potentiell hochkarätigen Torhütern auf einen Schlag internationale Grössen wie Yann Sommer, Gregor Kobel, Jonas Omlin, Roman Bürki, Marwin Hitz, Yvon Mvogo oder Philipp Köhn herausgebracht hat, ist mehr als nur bemerkenswert. Auch die nächste Generation klopft in Person von Pascal Loretz, Amir Saipi, Marvin Keller oder Anthony Racioppi bereits an die Pforten.
Ein Torhüter, der gemeinhin kaum im gleichen Atemzug wie diese vorangegangenen Namen erwähnt wird, ist Servettes Nummer Eins Jérémy Frick. Mit 30 Jahren ist er längst aus dem aufregenden Talentalter raus und sein Verein in der Wahrnehmung vieler Deutschschweizer nur eine Peripherie-Erscheinung. Dennoch figuriert er zum Start der EURO-Quali-Kampagne erstmals im Nati-Aufgebot. Wie eingangs erwähnt, hängt das vor allem mit der prekären Verletzungssituation zusammen. Gleich vier Nationaltorhüter fallen gesundheitsbedingt aus. So greift Yakin eben auf Routinier Frick zurück – dem nach einem holprigen Karriereweg das Glück des Tüchtigen hold geworden ist.
Seit Servettes Wiederaufstieg war Frick eine Konstante. Meist sehr abgeklärt und souverän auf der Linie, lautstark und giftig – so dürften ihn die meisten Beobachter im Gedächtnis haben. Interessanterweise spielt der frühere Lyon-Junior aktuell jedoch seine bis dato schlechteste Super-League-Saison, weswegen seine Nomination noch überraschender ist.
Hie und da verschuldete Frick in den vergangenen Monaten Gegentore durch Unaufmerksamkeiten – etwas, was man vom ihm sonst kaum gewohnt ist. Mit dem Ball am Fuss weist er zudem einige Schwächen auf, wird er hoch angelaufen, landen seine Bälle oft im Aus.
In der Luft ist er aber nach wie vor eine Wucht, dank seiner Körpergrösse von 1,92m, intensiver Kommunikation und gutem Timing zählt er in diesem Bereich auch statistisch zum oberen Bereich der Liga, wie ein Blick auf die Statistik zeigt («Abgefangene Flanken» und «Gewonnene Luftduelle»).
Wieso also entschied sich Yakin für Frick, wenn er ganz offensichtlich nicht in seiner besten Verfassung ist? Das Aufgebot lässt sich nicht nur mit den vielen Absenzen erklären, sondern darf ein Stück weit auch als Belohnung von Torwart-Trainer Patrick Foletti für seinen nicht immer leichten Werdegang angesehen werden. Auch pragmatischere Gründe dürften eine Rolle gespielt haben: Die Schweiz trägt ihr erstes Heimspiel im neuen Jahr in Genf aus – was gibt es besseres, um Begeisterung in der Stadt zu schüren, als den Servette-Goalie aufzubieten?
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